16.10.08

Spannende Faction-Thriller fehlen noch auf der Buchmesse

Also. Nach meinem Empfinden gibt es hier zu Lande zu viele Buchhändler, Autoren, Verlagsmitarbeiter, Literaturagenten, Kritiker und Journalisten. Außerdem SPD-Politiker, die ihre von Ghostwritern verfassten Bücher präsentieren. Und alle knubbeln sich auf den Gängen der Frankfurter Buchmesse. Obwohl die ersten Tage ja "nur" für das Fachpublikum reserviert sind. Zumindest bei den großen Verlagskonzernen gab es gestern am ersten Tag teilweise kein Durchkommen an den Ständen. Bei den Kleinverlagen ist das natürlich anders. Da sitzt oft eine traurige Gestalt - der Verleger - in seinem Mini-Verschlag und wartet auf das Publikum.
 
Ich hatte schon bald genug von diesem Gedränge und suchte mir ruhige Oasen etwas abseits. Erstaunlich, dass trotz der üblichen Durchhänger-Zeit am Nachmittag, bestimmt über 20 interessierte Zuhörer (meist jung und weiblich) zum Vortrag  "Corporate Blogs: Neue Wege zum Kunden" gekommen waren und sich eifrig Notizen machen. Die Referentin, der es am Morgen angesichts des Buch-Overloads offensichtlich ähnlich wie mir ergangen war, hatte inzwischen Kraft geschöpft und redete auf der kleinen Bühne ohne Punkt und Komma. Dazu warf sie klein beschriftete, textlastige Powerpoint-Folien an die Wand. Von der vielbeschworenen Dialog-Kultur des Web 2.0 war da wenig zu spüren, auch wenn inhaltlich fast alles stimmte. Technorati würde ich z.B. nicht unbedingt als Gradmesser für die Relevanz eines Weblogs heranziehen wollen.

Ich habe auf jeden Fall doch noch alle relevanten (und auf der Messe vertretenen) Verlage für Regional-Krimis abgeklappert und voller Freude festgestellt, dass bisher noch keiner einen Rügen-Krimi für die nächste Zeit angekündigt hat. Die Marktlücke bleibt also hoffentlich für mich erhalten. Sogar einige für mich neue Verlage, die sich mit regional orientierten Kriminalromanen beschäftigen, habe ich bei meinem Streifzug in den Hallen 3 und 4 entdeckt.

So etwa der Kontrast-Verlag aus der Pfalz, der sich unter anderem auf so genannte Faction-Thriller spezialisiert hat. Also auf Bücher, in denen sauber recherchierte Fakten mit der Fiktion des Autors zu einem spannenden Thriller verschmolzen werden. Wenn man so will, ist "Aktion Störtebeker" dann auch ein Faction-Thriller. Drei Autoren des Kontrast-Verlages waren gestern auf der Buchmesse anwesend und sprachen über das Genre. Außerdem lasen sie kurze Auszüge aus ihren neuesten Krimis. 

Jan Bergrath (2,14 m), Günther Zäuner (2,07 m) und Heinz-Peter Baecker (1,93 m) zeichnen sich nicht nur durch eine überdurchschnittliche Körpergröße aus, alle drei Faction-Thriller sind auch von Beruf Journalist und lassen in ihren Büchern Journalisten die Skandale ermitteln (deren Verursacher zudem meist in kriminelle Machenschaften verwickelt sind). "Haarscharf an der Realität" seien ihre Thriller, so Heinz-Peter Baecker. Allerdings wird unterschiedlich mit den handelnden Charaktere umgegangen. Während der eine Autor sie erfindet, beschreibt der andere lebende Personen des öffentlichen Interesses mit vollem Namen und Funktion.

"Unser Schreibstil ist dagegen ziemlich ähnlich", stellte Baecker in dem Gespräch fest. Und das scheint mir genau das Problem solcher Art von Literatur zu sein. Egal, ob es sich um die Aktivitäten der chinesischen Triaden in Europa, den Gammelfleisch-Skandal oder das EU-Umweltschutzrecht im Zusammenhang mit Braunkohlekraftwerken handelt - es klingt immer wie ein magazinig geschriebener Artikel für die Zeitung.

Nun kenne ich die Bücher nicht, aber der kurze Eindruck aus der Lesung hat bei mir bereits alle Alarmglocken schrillen lassen. Denn ich kenne das Problem ja. Da hat man recherchiert und recherchiert. Und nun will man diese Fakten auch dem Leser mitteilen. Denn es geht ja auch darum, ihn für ein bestimmtes Problem zu sensibilisieren. Aber da nur rund 300 Seiten zur Verfügung stehen, kann man nicht sein ganzes Wissen zwischen die Buchdeckel passen. Oder die Handlung und die Spannung leidet darunter. Wie ich aus diesem Dilemma herauskomme, weiß ich auch noch nicht. Vermutlich mit der Hilfe eines guten Lektors und kritischen Lesern des Manuskripts. 

Ach ja. Es gibt nicht nur zuviel Menschen auf der Buchmesse. Sondern auch entschieden zu viele Bücher. Das Einzige was offensichtlich fehlt, sind spannende Faction-Thriller. Aber da arbeite ich ja dran.