24.12.09

Rechtsstreit um "Gruppe Ralf Forster": Schwere Niederlage für Birthler-Behörde

Die Informationen sind schon ein paar Tage alt, aber ich bin bisher nicht zum Aufschreiben gekommen. Deshalb mit etwas Verspätung die Nachricht zu einem interessanten Gerichtsurteil aus Berlin. Denn die "Gruppe Ralf Forster" spielt nicht nur im Krimi "Aktion Störtebeker" eine Rolle, sondern auch hier im Blog.

Im Zivilprozess des Berliner Vorsitzenden des Humanistischen Verbandes Deutschland (HVD) Dr. Bruno Osuch gegen die Birthler-Behörde hat letzte Woche die erste Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin entschieden, dass die Aktenauskünfte sowie die Herausgabe personenbezogener Akten der MfS-Aktenbehörde rechtswidrig waren. Die Kammer hat der Birthler-Behörde die Herausgabe personenbezogener Akten untersagt. Zugleich untersagte das Gericht der Behörde zu verbreiten: „Bruno Osuch war auf den MfS-Vorgang ‚Gruppe Aktion’ erfasst.“ Weiterhin hat das Gericht festgestellt, dass die Erteilung der Auskünfte sowie die Akteneinsicht rechtswidrig waren, und dass die Behörde Herrn Dr. Osuch nicht als „Begünstigten“ im Sinne des Stasiunterlagengesetz einstufen darf. Schließlich ist die Behörde dazu verurteilt worden, den Empfängern ihrer Mitteilungen die Tatsache mitzuteilen, dass die Auskünfte rechtswidrig waren. Damit hat das Gericht der Klage des HVD-Vorsitzenden in vollem Umfang stattgegeben. Eine Berufung gegen das Urteil ist allerdings zulässig.

Der Landesvorsitzende des HVD Berlin Dr. Bruno Osuch hatte die für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR zuständige Behörde (BStU) verklagt, weil die Behörde gegenüber Medienvertretern Unterlagen zu seiner Person herausgegeben hatte. Diese wurden mit einem Kommentar versehen, der unterstellte, dass Dr. Osuch Mitglied der DKP-Militärorganisation (der sog. "Gruppe Ralf Forster" bzw. "Gruppe Aktion") gewesen sei, die vom damaligen Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS) ausgebildet und angeleitet wurde. Auf der Basis dieser Aussagen entstanden mehrere Zeitungsberichte, die Dr. Osuch zu Unrecht mit dem Staatssicherheitsdienst der DDR in Verbindung brachten. Gegen die berichtenden Medien „Die Welt“, „Berliner Morgenpost“ und „BZ“ ist bereits ein Urteil wegen unzulässiger Verdachtsberichterstattung ergangen. Im Prozess gegen die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“, die ebenfalls diese Informationen kolportierte, steht ein Urteil vor dem Hamburger Landgericht noch aus.

Die Richter, die unter dem Vorsitz des stellvertretenden Gerichtspräsidenten Dr. Hans-Peter Rueß den Fall begutachteten, stellten zu Beginn der Verhandlung fest, dass die entscheidende Frage sei, ob die Herausgabe der personenbezogenen Unterlagen zu Dr. Osuch rechtmäßig gewesen war. Eine solche Herausgabe kann nach Stasiunterlagengesetz (StUG) nur dann erfolgen, wenn es sich bei den betroffenen Personen um Mitarbeiter oder Begünstigte der Staatssicherheit handele. Dr. Osuch wurde im Frühjahr – trotz erheblicher interner Bedenken – von der Behörde vom „Betroffenen“ zum „Begünstigten“ umkategorisiert. Die haarsträubende Begründung dafür lieferte die Behörde in der Verhandlung. Da Dr. Osuchs Name auf einer Liste von Personen erschien, die im Zusammenhang mit der DKP-Militärorganisation vom MfS geführt wurde, ist er im Amt vom Opfer zum Täter gemacht worden. Dass er damit aktenkundig zu allererst Opfer der Ausspähung durch das MfS war, wie der stellvertretende Richter Marticke in der mündlichen Verhandlung ausführte, wurde von der Behörde geflissentlich ignoriert.

Die BStU gehe grundsätzlich davon aus, dass niemand zufällig und ohne eigene Kenntnis auf dieser Liste lande und sich daraus ein Begünstigtenstatus ergebe, äußerten sich die Vertreter der BStU gegenüber den Richtern. Laut der Aktenlage sei Osuch 1978 im Zusammenhang mit der "Gruppe Ralf Forster" auf der Liste erfasst worden. In einem Vermerk heiße es zudem, er solle "kurzfristig" für Aktionen eingesetzt werden. Die "Gruppe Ralf Forster" habe die Aufgabe gehabt, die Bundesrepublik gezielt zu destabilisieren, auch durch militärische Mittel. Diese "Indizienkette" reiche aus, um den Lehrer als Begünstigten einzustufen.

Mit Erschütterung reagierte das Gericht auf diese Aussage. Allein auf der Basis eines Eintrags durch MfS-Mitarbeiter sei kein Beweis einer strafrechtlich relevanten Tätigkeit erbracht, erklärten die Richter den Behördenvertretern. Es müsse zumindest einen Beleg dafür geben, dass eine Straftat stattgefunden und die betroffene Person sich damit schuldig gemacht habe. Es sei nicht dokumentiert, daß Osuch überhaupt davon gewußt habe, daß er der "Gruppe Ralf Forster" zugerechnet worden sei. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, daß er an Aktivitäten dieser Organisation, etwa an Ausbildungsmaßnahmen in der DDR, teilgenommen und sich damit wegen einer Agententätigkeit zu Sabotagezwecken strafbar gemacht habe. Oder wie es Richter Marticke formulierte: „Es kann keine Straftat geben, von der der Täter nichts weiß.“


06.12.09

12 Meter ohne Kopf: Fick die Hanse

Über den Kinofilm "12 Meter ohne Kopf" habe ich ja schon öfters berichtet. Denn die Dreharbeiten für diesen Streifen, der die Legende des Piraten Klaus Störtebeker auf neue Art erzählen will, haben mich während des Schreibens des Rügen-Krimis "Aktion Störtebeker" immer wieder begleitet. Nun kommt der Film diese Woche in die Kinos und die Meinung der Kritiker ist gespalten.






War es wirklich Klaus Störtebeker, dem auf dem Hamburger Grasbrook der Kopf abgeschlagen wurde? Was passiert mit ausgebrannten Piraten und kann ein Seeräuber auch als Radieschen-Züchter glücklich werden? Die Antworten gibt es ab 10. Dezember im Kino, wenn Matthias Schweighöfer und Ronald Zehrfeld als Gödeke Michels und Klaus Störtebeker in „12 Meter ohne Kopf“ die Leinwand entern.

Spaß, Chaos und Krawall gehören zum Arbeitsalltag der Freibeuter-Freunde Störtebeker und Michels, die mit ihren Mannen den verhassten „Pfeffersäcken“ der Hanse das Leben schwer machen. Nicht umsonst wird neben dem Schlachtruf "Freiheit für Friesland" auch "Fick die Hanse" gerufen, bevor die Piraten ein Schiff kapern. Dass die Seeräuber damals im Auftrag unterschiedlichster Territorialmächte plünderten und mit offiziellen Kaperbriefen ausgestattet waren, spielt in dem Film keine Rolle. Auch sonst nimmt es das Drehbuch mit der historischen Wahrheit nicht so genau. Wobei die ohnehin weitestgehend im Dunkeln liegt.

Als Klaus Störtebeker bei einer Kaperschlacht schwer verletzt wird und ein Nahtoderlebnis hat, ist er nicht mehr derselbe: Der gefürchtete Pirat fühlt sich ausgebrannt, hat plötzlich Angst vor dem Meer und fürchtet, dass ein Fluch auf seiner schrottreifen Kogge „Makrele“ liegt. Als er sich dann auch noch in die hübsche Bille (Franziska Wulf) verliebt, muss er sich zwischen einem Leben als Guerillero oder Gemüsebauer entscheiden. Vollblut-Pirat Gödeke Michels hat für diese Sinnkrise wenig Verständnis. Erst der Fund einer geheimnisvollen Wunderwaffe macht Störtebeker erneut Lust aufs Kapern und schweißt die Freunde wieder zusammen. Aber auch die Hanse hat aufgerüstet und bläst zur finalen Schlacht vor Helgoland …

Burn-out bei Piraten, alternative Lebensentwürfe im Mittelalter und emanzipierte Friesen-Frauen – Regisseur Sven Taddicken („Emmas Glück“) erzählt eine moderne, temporeiche Geschichte vor historischer Kulisse - unter anderem in Stralsund. Ein ungewöhnlicher Piratenfilm, der sich trotz ein paar - an "Piraten der Karibik" angelehnten - opulenten Actionszenen in kein festes Schema pressen lässt. Der Film ist weder Abenteuerstreifen noch Komödie und erst recht keine realistische Biografie. Und doch enthält er Facetten aus all diesen Genres. Mit Jana Pallaske, Devid Striesow sowie den Gaststars Detlev Buck, Simon Gosejohann und Achim Reichel ist das Werk zudem bis in die Nebenrollen prominent besetzt. Der Besuch dürfte sich lohnen. Einen kleinen Vorgeschmack liefern die täglichen Filmschnipsel im YouTube-Kanal und auf Facebook.

„12 Meter ohne Kopf“ feiert seine Premiere in Anwesenheit von Matthias Schweighöfer, Ronald Zehrfeld, Regisseur Sven Taddicken und vielen weiteren Crew-Mitgliedern am 9. Dezember 2010 in der Hafenstadt Husum. Die Welturaufführung findet schon einen Tag vorher in Hamburg statt. Denn dort liegt - wie in meinem Krimi "Aktion Störtebeker" ausführlich beschrieben - vermutlich auch der Schädel des legendären Freibeuters im Museum.